TOP

Kiwis und Forellen

von Viktor Keller / 2015


Im Dunkeln sind wir losgefahren, aber nun wird es hell und ein wolkenloser, stahlblauer Himmel verspricht einen herrlichen Tag. Und wir sind unterwegs zu einem unserer Lieblingsflüsse an der Westküste von Neuseelands Südinsel! Wir fühlen uns wie Gott in Frankreich.



Die Farm, durch welche der Flussabschnitt verläuft, den wir heute befischen wollen, hat seit unserem letzten Besuch den Besitzer gewechselt und wir statten den neuen Eigentümern einen Antrittsbesuch ab. Obwohl uns noch nie irgendwo der Zutritt verweigert wurde, sind wir doch jedes Mal nervös und gespannt, was uns erwartet. Einmal mehr waren jegliche Bedenken unnötig und die Familie empfängt uns herzlich. Ohne eine Tasse Tee und ein Stück Kucken lassen sie uns nicht ziehen und wir werden mit einer Einladung für’s nächste Mal verabschiedet. Nun geht’s einige Kilometer auf einer Kiesstrasse Richtung Meer. An einem zugesperrten Tor ist mit dem Auto kein Weiterkommen mehr. Wir ziehen unsere Ausrüstung an und marschieren noch eine gute Stunde Richtung Küste. Als wir das Meer rauschen hören und die am Strand aufgeworfenen Sanddünen sehen, beginnt der seriöse Teil. Unsere Absicht ist es, flussaufwärts zu fischen und bis am Abend wieder in der Nähe des Autos zu sein.



Der Fluss fliesst klar und niedrig und die Sicht ist perfekt. Wie so manche Flüsse in Neuseeland hat unser Westküsten Fluss einen sehr guten Bestand an grossen Bachforellen, im schnapsklaren Wasser müssen die Fische aber auf Sicht und mit bis 5.5m langen Vorfächern angepirscht werden. Schon kurz nach dem Start sehen wir den ersten Fisch; leicht in der Strömung pendelnd, schert er immer wieder seitlich aus und schnappt sich unter Wasser irgendwelche Leckerbissen. Obwohl wir an diesem Morgen im Januar keine Insekten ausmachen können, fischen wir mit grossen, buschigen Trockenfliegen, denen im Hochsommer kaum ein Fisch widerstehen kann. Diesmal bin ich an der Reihe und nach einem halbwegs gelungenen Wurf hängt die Forelle auch schon am Haken. Ich bin gerade daran, den knapp 60cm langen Fisch im hüfttiefen Wasser abzuhaken, als plötzlich ein Jetboot mit Speed um die Kurve gerast kommt. Die Insassen winken uns zu und bejubeln unseren Fang. Von der Flusslandschaft und der Fischerei völlig absorbiert, haben wir das Boot erst sehr spät wahrgenommen. Von nun an wird einmal jede Stunde ein Jetboot den Fluss hinunter oder wieder hinauf dröhnen. Die Boote gehören einem Tourveranstalter, der interessierte BesucherInnen zu einer Brutkolonie weisser Reiher bringt. Sehr zum Unwillen des Grundeigentümers, der sich über die massive Ufererosion beklagt. Die Fische scheint die ganze Sache allerdings nicht gross zu kümmern und sobald sich die aufgewirbelten Sedimente gesetzt haben, beissen sie wieder. Glücklicherweise hört man im Normalfall die Boote schon einige Minuten bevor sie auftauchen. Der völlig naturbelassene Fluss mäandriert so stark, dass das Jetboot mit seinem V8-Automotor uns sehr nahe sein kann, aber noch viele hundert Meter vor sich hat, bis sich unsere Wege kreuzen. Wir fangen gut an diesem herrlichen Sommertag und auch die vorbeirasenden Zuschauer kommen auf ihre Kosten. Der Zufall will es, dass insgesamt viermal das Boot genau dann passiert, als einer von uns gerade einen Fisch löst oder im Drill hat.



Am späteren Nachmittag ziehen für kurze Zeit dunkle Wolken auf und ein Regenschauer lässt uns unter Bäumen Schutz suchen. Von unserem Unterstand aus sehen wir jungen Paradies Enten zu, die sich in einem ruhigen Pool vergnügen. Und auch ein massiver Aal schwimmt langsam am Grund des Pools herum, vielleicht auf der Suche nach etwas Fressbarem. Ein letzter kleiner Schauer nimmt die Sicht ins Wasser, den Entenküken scheint das nichts auszumachen. Während wir belustigt ihr Treiben verfolgen, gibt es unerwartet einen Schwall und eine kleine Ente taucht unter. Gespannt schauen wir, wie lange der Vogel wohl unten bleibt. Aber vielleicht ist das Tier ja schon wieder aufgetaucht? Wir zählen nach: Es waren acht, nun können wir nur noch sieben sehen. Das Rätsel löst sich, als sich der Regen endgültig verzieht und die Sonne die Oberhand gewinnt. Am Grund sehen wir den Aal, dem die Ente noch halb aus dem Maul hängt! Der Neuseeländische Langflossenaal kann bis zu 25kg schwer und bis zu 1.8m lang werden, eine junge Ente passt da allemal in’s Beuteschema.



Am frühen Abend taucht in der Ferne unser Auto auf. Müde, aber happy mit den Ereignissen des Tages ziehen wir Bilanz. Wir haben zwölf Bachforellen gefangen, die Grösste wog um die 3.5kg und war knapp 70cm lang. Und wir haben ein kleines Drama der Natur erlebt. Jetzt fehlt als Krönung eines tollen Tages nur noch ein Shandy - unser Panaché - im lokalen Pub und wir sind rundum zufrieden.