Aus der PETRI NEWS 177-2013
Heidi Hebeisen
Bratwurst, Brot, Wein und Bier
Immer wenn bei Hebeisen ein Fliegenfischer-Event stattfindet, steht hinter dem Haus ein grosses Übungsbecken und auf unserem Parkplatz wartet ein grosses Zelt mit Tischen und Bänken auf alle Gäste, die Bratwurst, Brot, Wein oder Bier lieben. Es ist äusserst spannend, wen man da so alles antreffen kann. Da finden sich Fischer aus der ganzen Schweiz, aber auch aus Deutschland und Österreich ein.
Schon kommt der Erste auf mich zu und sagt „Salü Heidi“, wie das ja die meisten tun. „Kennst Du mich noch, ich war vor 30 Jahren dein Schüler im Engadin“. Logisch erkenne ich ihn nicht grad wieder, ist ja auch eine sehr lange Zeit und eine Unzahl Schüler sind derweil durch meine Schule gegangen. Umso interessanter verlief dann das anschliessende Gespräch – nicht über Fliegenfischen, nein, über Bienen. Der Mann war nämlich Imker. „Sogar Bienenköniginnen werden heute künstlich befruchtet“ sagte er. Wir Menschen haben es wirklich sehr weit gebracht“!
Schon setzt sich der nächste an den Tisch. „Sali Heidi, ich bin der Georg und mit der Eisenbahn gereist.“ „Was machst Du da, tust Du auch fischen“? sagt der Nächste. Ich vermerke etwas trocken, dass ich schon 36 Jahre bei „diesem Verein“ da wäre. „Ja aber, du bist doch eine Frau, du kannst doch nicht Fliegenfischer-Lehrerin sein, das funktioniert doch niemals mit einer Frau“. Heidi, dachte ich, Diplomatie ist jetzt gefragt, keine giftige Antwort. Dass ich seit über zwanzig Jahren zur kleineren Gilde der Master Flycasting-Instruktoren gehöre, verschwieg ich tunlichst. „Salü Heidi, ich bin der Fritz aus Bern und war vor 20 Jahren Dein Schüler in Österreich. Da warst Du noch etwas dicker, aber du hast dich gut gehalten für dein Alter“. Was für ein Charmeur – dafür hat er zwei Bratwürste vertilgt. Der Peter aus Basel ist mit Freunden da und bringt uns die Liste mit seinen aktuellen Schülern, erzählt uns von der Gail und wie er sich freut, im Oktober wieder mit uns an der Loisach zu sein.
Dann schaut plötzlich eine Frau mittleren Alters, sehr bescheiden gekleidet um die Ecke und starrt fasziniert auf unseren Wurstgrill. Kommt drei Schritte näher und ist weiter auf die Bratwürste fixiert. Mit Fischen hat diese Frau nichts zu tun, sie hat einfach Hunger. Natürlich fragen wir, ob sie eine Wurst möge und logisch mochte sie eine; für einen mehr am Tisch muss es immer Platz haben.
Und so verlief dieser Tag mit vielen weiteren guten Gesprächen, derweil hinter dem Haus emsig geworfen und geworfen wurde. Mit Einhändern, mit Zweihändern, mit Tenkara und eleganten, gespliessten Fliegenruten. Oben strömten sie dann aus dem Laden und hielten ihre Neuerwerbungen wie Trophäen in die Luft. Ein Gesicht glücklicher wie das andere.
Heidi Hebeisen