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Der faule, schlaue Hecht
Aus der PETRI NEWS 194-2015

Markus Angst

Der faule, schlaue Hecht

«Auf einmal biegt sich die Rute stark durch und die Äsche ist weg >>

Wie geplant, verbrachte ich auch dieses Jahr wieder eine Woche Urlaub in Schwedisch Lappland bei den Schnyders in Sorsele. Nur diesmal war es kein Familien- sondern ein Fischerurlaub. Kompromissloses Fischen war diesmal das Motto und wenn doch Zugeständnisse gemacht wurden, dann ausnahmslos zu Gunsten des leiblichen Wohls. Unsere Gruppe bestand aus fünf Fliegenfischern, welche Ende Juni die atemberaubende Landschaft Lapplands bei 24-stündigem Tageslicht und die Vielfalt der Fischerei genossen. Da die grossen Flüsse noch etwas viel Wasser führten, wichen wir auf mittlere und kleinere Fliessgewässer aus. So befischen wir auch den zu dieser Kategorie gehörigen Fluss Olsbäcken. Dort wo er aus einem See entspringt, befindet sich ein wunderbarer Äschen-Hotspot : Eine tiefe Rinne, unter einer Autobrücke beginnend, mündet in einen grossen, sich weitenden Pool. Der Ort ist leicht zugänglich und wird – für lappländische Verhältnisse – relativ oft befischt. Gute Stunden bringen 15-20 Äschen; die Grossen in der Rinne unter
der Brücke – die Kleinen gegen Ende des Pools, ganz wie man es erwarten würde. Wir legen also los und während ich weiter flussabwärts ziehe, hakt Marcel bereits die erste Äsche knapp unterhalb der Brücke. Auf einmal biegt sich die Rute stark durch und die Äsche ist weg… Als ich eine Stunde später wiederkomme, ist Marcel wieder im Drill. Gerade als er die Äsche zwischen seinen Beinen lösen will, sehe ich einen Schwall, ein Riesenmaul… und weg ist die Fahnenträgerin! Zweifelsfrei ein ordentlicher Hecht. Marcel leicht bleich; ich mit aufgerissenem Mund und Augen gross wie Suppenteller! Ich fische ja nicht erst seit gestern, doch ein solches Mass an Dreistigkeit habe ich weiss Gott auch bei einem Esox noch nicht erlebt! Nachdem wir uns gegenseitig versichert haben, nicht einer Halluzination erlegen zu sein, löse ich Marcel ab. Auch ich fange gut. Eine knappe Viertelstunde später verschärft sich bei mir der Drill einer Äsche abrupt: Die 5er Rute biegt sich gefährlich. Äschentypische Schläge spüre ich keine mehr, dafür einen unerbittlichen Druck auf meine 16er Vorfachspitze. Wenig später sehe ich den gefrässigen, gute 80 cm messenden Räuber. Meine Goldkopfnymphe ist sauber im zahnbewehrten Maul platziert; von der Äsche ist nichts mehr zu sehen. Ich rufe nach Marcel, welcher das Geschehen bezeugen, respektive mit seinem Smartphone filmen soll.
Jetzt nur nicht die Geduld verlieren! Ich drille sanft, mit wenig Druck. Nach etwa 15 Minuten ist der Hecht müde und liegt direkt am Ufer. Marcel greift daneben, der Räuber zieht nochmals ab. Ich werde doch noch ungeduldig und verliere ihn, weil ich der Vorfachspitze zu viel zumute. Zwei Tage später machen wir an besagter Stelle erneut halt. Bereits meine zweite Äsche wird wieder vom gleichen Hecht attackiert. Ich sehe ihn aus seinem tiefen, praktisch strömungsfreien Versteck hervorschiessen und meine Äsche packen. Obwohl er merken muss, dass etwas nicht stimmt, attackiert er den Fisch vier Mal und will partout nicht aufgeben. Schliesslich gewinne ich, muss die schlimm verletzte Äsche allerdings töten. Wir unternehmen im Anschluss nochmals zwei Versuche mit der Hechtrute und grossen Streamern. Resultat : Ein Fehlbiss und ein Vorfachbruch. Es wollte uns einfach nicht gelingen, den gefrässigen Kerl zu landen. Sich vorzustellen, was der Hecht dort an «pfannenfertig servierten» Äschen vertilgt, erfüllte mich mit Grauen. Gleichzeitig hegte ich aber auch eine bescheidene Portion Bewunderung für den Räuber: An Dreistigkeit kaum zu überbieten, verfolgte er eine bequeme und scheinbar überaus erfolgreiche Strategie, indem er sich ein optimales Plätzchen suchte und sich von uns Petri-Jüngern bedienen lässt. Obwohl Hechte nun wirklich nicht zu meinen Lieblingsfischen gehören, habe ich doch etwas von diesem Exemplar gelernt: Auch der Faule kann Erfolg haben, sofern er schlau und unverschämt ist!

Ihr Markus Angst