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Falsch bewertet
Aus der PETRI NEWS 201-2016

 H.R. Hebeisen

Falsch bewertet

«Zum Glück zeigte sich grad kein Polizist...»

Oder „Back to the Roots“. Jedenfalls kann es eigentlich nicht die Absicht eines Gerätehändlers sein, seine Kunden vom übereifrigen Konsum abzuhalten und doch reizt es mich nun, zur Feder zu greifen.

Im Facebook las ich von irgendeinem überdimensionierten Umhänge-Ding mit dem exklusiven Brandname „Bentley“. Füllt ein Fischer dieses Ding mit allem Möglichen und allem Unmöglichen wiegt er einige Kilo mehr und muss einen Rückenschaden befürchten. Das passende Fahrzeug dazu wurde auch gleich angeboten. Moll, moll.

Meine bescheidene Fliegenfischerweste hat Jahrzehnte auf dem Buckel und belastet mich beim Tragen nicht, habe mittlerweile festgestellt, dass ich wirklich nur das Wenige brauche, was ich auch in meinem Fliegenfischerbuch vorstellte. Aber noch mehr hat mich diese Luxusanpreisung an meine ersten, vielleicht die allerschönsten, Fischertage in meinem Leben erinnert. Es muss um 1950 herum gewesen sein.

Mittwochnachmittag. Schulfrei, der Samstagmittag gehörte den Wölfen und später den Pfadfindern. Wir wohnten an den Buchwiesen. Halbe Stunde Marschzeit zur Tramendstation Seebach. Ausrücken mit Bambusrute, einteilig, bog sich noch unter dem Tramdach. Fahrt mit der 14 zum Hauptbahnhof. Dort Marsch an die Limmat und von dort stetig nach oben zum Seebecken, immer prüfend, ob ein Egli oder ein paar Läugel herumschwammen und dort eben logisch, wenn auch verboten, einige Würfe mit dem Zäpfli und als Köder eine Made. Bis ich an der Rudolf Brun-Brücke ankam, hatte ich manchmal schon einige Fischli im Säckli. Dann auf der Brücke zum mittleren Pfeiler und so lange erfolgreich und ebenso verbotenerweise gefischt, bis ein Polizist kam und uns nett von dannen wies. Also, weiter an der Limmat nach oben und auf dem Weg zur Quaibrücke, vorbei an Brumanns Laden (die Mutter, die Erika Brumann, schenkte mir mal neue Maden, nachdem ich meine Büchse ungeschickt ins Wasser stiess, aber nur noch Batzen für den Rückweg mit dem Tram im Sack hatte) und laufend erfolgreich oder erfolglos wird wieder „Schwarz“ gefischt. Auf der Quaibrücke am zweiten Pfeiler aus Sicht vom Baur au Lac hatte es am meisten Läugel, die Limmat glitzerte unter der Wasseroberfläche silbrig. Nun ging’s erst richtig los, mit fischen und mit fangen. Aber nur so lange, bis halt wieder ein netter Polizist kam und uns Jungs den Garaus machte. Also, noch einen Versuch am Zürichsee, meist war dann der Fischbeutel schon schön voll. Was nun? Logisch zurück zur Rudolf Brun-Brücke, wo sich zum Glück grad kein Polizist zeigte usw. usf.

Bis es halt Spätnachmittags war und dann folgte der fischende Rückmarsch wieder bis zum Hauptbahnhof, dann die dreissig Minuten Fahrt mit dem Tram bis nach Seebach, dann der Halbstunden-Marsch an die Buchwiesen und nun mussten alle aus der Küche. Die nächste lange halbe Stunde gehörte mir allein. Fischli alle sauber schuppen, ausnehmen, Kopf abschneiden, alle Fische auf einer Platte schön drapieren, Schüttsein und Gerätschaft sauber putzen und dann öffnete ich mit Stolz die Küchentür. Schwester und Eltern durften meinen Fang und das Ergebnis bewundern. Ich war stolzer als jeder Pfau der Welt.

Grosse Tage im Leben eines Fischers, vielleicht seine allergrössten überhaupt und ganz ohne „Bentley“. Vielleicht bin ich auch aus diesem Grunde ein „Fleischfischer“ und werde auch einer bleiben. Ich mag sie ehrlich. Die Fische. Im Wasser, aber auch auf meinem Teller.

H.R. Hebeisen