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Aus der PETRI NEWS 233-2021

 H.R. Hebeisen
 

Fliegenfischen - Fliegenwerfen - Castingsport


Basis dieser drei Titel ist die Grundmechanik des Fliegenwurfes, also das Werfen einer Kunstfliege, welche ja praktisch kein Gewicht hat. Allein durch den Ablauf einer bestimmten Wurfmechanik, (dynamisch und geometrisch) in Verbindung mit der Tatsache, dass die Fliegenschnur das fehlende Gewicht der Fliege ersetzt, ist es möglich, diese auf eine gewisse, eine grössere oder gar einer relativ sehr weiten Distanz zu präsentieren. Worin unterscheiden sich also die drei Titel?

Fliegenfischen
Um mit der Fliege Fische zu fangen, bedarf es der Beherrschung einer Grundwurf-Mechanik, um, über die Fliegenschnur und das Fliegenvorfach die „gewichtlose“ Fliege dorthin zu präsentieren, wo man sie haben will. Diese wird an jeder Fliegenfischerschule (mit allen Variationen) gelehrt. Bei uns im Internet, www.hebeisen.ch, können Sie unter You Tube diverse Schulfilme gratis herunterladen, welche Ihnen das Grundwurf-Programm mit vielen zusätzlichen Details aufzeigen.

Wir lehren den Einsteigern am Beginner-Kurs zusätzlich den Rollwurf, die Up- und Downstream-Präsentation sowie den Trickwurf O-Pickup. Damit hat er in rund achtzig Prozent am Wasser die richtige „Antwort“, einen Fisch zum Anbiss zu überlisten.

Viele von ihnen werden und bleiben dann ein Leben lang eben Fliegenfischer; sie sind weder an engen Schläufchen, an riesigen Distanzen und auch nicht an den meisten der heutigen Auswahl an vornehmlich englisch benannten Trickwürfen interessiert, sondern allein, um Natur und eben Fliegenfischen zu erleben und dabei logisch gerne ab und zu einen Fisch fangen. Ende. Das ist das, was mit dem Titel Fliegenfischen gemeint ist.


Sinnbild für Fliegenwerfen:
Man kann sagen, dass der Fliegenfischer meist auf einer Distanz von rund 15 Metern fischt. Das Sehen der Fliege muss ja auch berücksichtigt werden.


Fliegenwerfen
Unter diesen Fliegenfischern gibt es heutzutage eine immer grösser werdende Anzahl derjenigen, welche vor allem mehr am Fliegenwerfen (und eben weniger am Fliegenfischen) interessiert sind. Einige von ihnen demonstrieren sich einmal, oft oder gar sehr oft im Facebook und anderen Foren, wobei halt nicht alles was gezeigt wird, auch würdig für eine Präsentation ist. Aber item, oft sieht man auch hervorragende Würfe und vor allem auch perfekte Schlaufenbilder. So perfekt, dass ich als Profi erkenne, dass die Schlaufe mit der Schnurhand in den Vorwärtswurf gezogen wurde und eben nicht (wie meist versucht und ebenso oft missraten) mit der Rutenhand geworfen wurde! Natürlich trägt auch diese zum Schlaufenbild bei, aber sie ist für die Perfektion nicht matchentscheidend. Ich weiss, dass das, was wir als Schlaufe bezeichnen, im Grunde genommen, heisst sprachlich perfekt gesagt, gar keine Schlaufe ist, aber es gibt nur die englische Bezeichnung Loop, welche das besser und orthografisch richtig ausdrückt.

Vergleichen wir das Fliegenwerfen mit dem Autofahren. Auch da gibt es unter diesen solche, welchen ein Auto ohne die Zusatzbezeichnung GT, Turbo oder ähnlich nicht genügt. Einige von denen blochen dann mit 180 km/h dort, wo rund 80 km/h erlaubt sind und meinen, sie seien dann die technisch besseren Driver. Sie wissen ja wer meint!

Für besseres Autofahren gibt es nicht nur spezielle Kurse für die Beherrschung des Fahrzeuges. Es gibt ja auch noch die Möglichkeit, die Laufbahn eines Sportwagen-Rennfahrers einzuschlagen. Dieses Level kann man, umgesetzt als Fliegenwerfen bezeichnen.


Sinnbild für Fliegenwerfen:
Der Fliegenwerfer ist, oder muss in der Lage sein, die Fliege auch noch bis zu 30 Meter weit zu werfen, was natürlich vor allem an Bergseen wichtig (fängig!) ist.


Castingsport
Es gibt aber noch höhere Stufen, wie Formel 3, später Formel 2 und, wie wir alle wissen, ist dann F1 die höchste Stufe. Wir sind beim Begriff Casting. Nur wer heutzutage 100 Punkte in „Fliege Skish“, also Fliege-Präzision wirft, hat die Chance sich an einer Weltmeisterschaft mit so rund 10 anderen Castern im Final zu treffen. Dort werfen dann nochmals so etwa 4 einen Hunderter. Sieger ist der schnellste, der wieder 100 wirft. Und der wirft so schnell, dass sowohl Fliegenfischer als auch Fliegenwerfer Letzter würden, selbst dann, wenn all ihre Nuller einen Treffer wären.

Dann gibt es ja auch noch die Disziplin Fliege-Distanz Einhand. Maximale Rutenlänge 10 Fuss, also 315 cm, maximales Fliegenschnurgewicht 39 Gramm. Schon beim Start liegt die Fliege auf 23 Meter und, je nach Können, aber halt auch je nach Thermik sind mit den heutigen Geräten Distanzen bis und sogar über 70 Meter zu erreichen. Nicht mal einen Blumentopf und schon gar keinen Lorbeerkranz mit Schlaufe, verschwiegen denn eine Medaille gewinnt man heute im 50-Meter-Bereich. Das sollten sich diejenigen Fliegenwerfer mal vor Augen halten, welche sich technisch im über 30-Meter-Bereich befinden und meinen, sie gehören zu den absoluten Top-Shots der Szene. All diesen sei geraten, sich einem Casting Club an zu schliessen, um dann nach langem Training sich an den Landesmeisterschaften für die Teilnahme an einer WM zu qualifizieren. Und nicht irgendwo an einem freien Casting Jekami-Wettbewerb teilnehmen, diesen dann später als „Weltmeisterschaft“ bezeichnen und sich auch noch als 28igster selber zu belobigen; Stichwort „Mitten in der Weltelite“. Der Leser erkennt; Fliegenwerfen kann auch Heiterkeit erzeugen.


Sinnbild für Castingsport:
Der Caster muss, wenn er „dabei“ sein will, mehr als 50 Meter weit werfen können. Je nach Thermik, kann, bei schlechten Verhältnissen (Gegenwind) auch mal eine 4 voranstehen, oder eben auch, bei optimalem Rückenwind in Verbindung mit der absolut perfekter Wurftechnik, sogar die 7 voranstehen.

Dieses Bild ist vom japanischen Fliege-Distanz-Einhand-Werfers Katsu Miyazawa, welches mich animierte, diesen Artikel zu schreiben. Seit rund sechs Jahrzehnten gehöre ich halt zu denen, welche Fliegenwerfen und Casting so beglückend finde wie Fliegenfischen.


Fliegenwerfen, Fliegenfischen und Castingsport sind in jedem Falle eine wunderbare, beglückende Sache. Der irische Philosoph John O’Donohue benannte die Entwicklung der Fliegenschnur in der Luft einmal als erhaben. Und so ist es.