Markus Angst
Die unglaubliche Geschichte des Tomatenfisches!
Eigentlich ist das Thema „Essen und Trinken“ in den Petri News dem HRH vorbehalten, was aufgrund der entsprechenden Kernkompetenzen durchaus Sinn macht. Nun bin ich allerdings im Web auf eine Pressemitteilung gestossen, die mich veranlasst, mein übliches Themenfeld etwas auszuweiten.
Die besagte Mitteilung begann mit folgendem Satz: „In dem auf vier Jahre angelegten Vorhaben INAPRO (“Innovative model & demonstration based water management for resource efficiency in integrated multitrophic agriculture and aquaculture systems”) werden in Deutschland, Spanien, Belgien und China vier grosse Aquaponik-Demonstrationsanlagen auf jeweils rund 500 Quadratmeter zunächst modelliert, dann gebaut und evaluiert“. Allein die Wahnsinns-Abkürzung INAPRO liess mich ehrfürchtig erschauern – meine Neugier war geweckt.
Um was genau geht es also: Der Terminus Aquaponik setzt sich aus den Begriffen Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponik (erdfreie Pflanzenzucht) zusammen. Einfach gesagt ermöglicht diese Technik eine Doppelnutzung von Wasser, Nährstoffen, Energie und Fläche bei der kombinierten Produktion von Fisch und Tomaten. Das aufbereitete Fischwasser dient dabei als Dünger für die Pflanze. Das komplexe, geschlossene System (Hygiene ist absolute Pflicht, ansonsten das System kollabiert!) ermöglicht eine „emissionsfreie Tomaten- und Fisch- Produktion“. Stolz verwenden die Wissenschaftler den Slogan „vom Labor direkt auf den Markt“.
Vom chemisch-/biologischen Standpunkt her ein wirklich faszinierendes Konzept. Das INAPRO-System soll gegenüber seinen Vorläufern einen signifikanten Fortschritt darstellen. Obwohl ich nicht vom Fach bin, erahne ich die Komplexität der Anlage, welche als geschlossenes System funktionieren soll – wahrlich eine technische Meisterleistung!
Vor dem Hintergrund der immer noch dramatisch ansteigenden Weltbevölkerung, der Ressourcenknappheit und des Klimawandels ein Segen! Zehn Milliarden Menschen lassen sich nun spielend leicht mit Tomatenfischen satt kriegen – dafür opfern wir nur eine bescheidene Menge Land. Und wenn das auch nicht mehr ausreicht, bauen wir die Anlagen einfach mehrstöckig und multiplizieren den Output mit Leichtigkeit – dann sollte die produzierte Kalorienzahl auch für 15 oder gar 20 Milliarden reichen!
Doch ist das nun wirklich so erstrebenswert? Keimfreie Labor-Tomatenfische, garantiert geschmacksneutral als Heilsbringer? Man kann mir nun durchaus vorwerfen, dass es für mich, angesichts dessen, dass ich keinen Hunger leide, ein leichtes sei, dieses Projekt mit einer Portion Sarkasmus zu bedienen. Ich frage mich allerdings ernsthaft, ob hier nicht das Pferd am Schwanz aufgezäumt wird?
Für mich ist das auf jeden Fall keine erstrebenswerte Zukunft, in der wir Erdenbürger, der Natur total entfremdet, uns von Tomatenfischen ernähren. Wo bleibt da die Freude, die Lust? Rechnen die (künftigen) Anlagebetreiber damit, dass sie uns mit hors-sol-Gemüse und geschmacksneutralen Früchten in den nächsten zehn Jahren soweit konditioniert haben, dass wir auch die „nächste Stufe“ der Nahrungsmittelproduktion ohne zu murren hinnehmen?
Ich wehre mich dagegen, indem ich alles was nach solchen Technologien „riecht“, boykottiere und versuche, die nächste Generation davon zu überzeugen, dass Essen nicht mit Kalorienaufnahme gleichzusetzen ist und Genussfähigkeit zu den wesentlichen Eigenschaften eines Menschen gehören!
In diesem Sinne werde ich heute mal wieder im Band 1 von Faszination Tafelfreuden blättern…
Ihr Markus Angst