H.R. Hebeisen
Vom Lehren und Lernen
Kürzlich sagte mir eine Frau um die Fünfzig aus gutem Haus, sie kaufe nun kein Kochbuch mehr, zumal sie schon ein Dutzend besitze. Wer so spricht, denkt auch so und hat somit die Zukunft bereits hinter sich. Nur ein Leben, welches man zu einem ständigen Lernprozess gestaltet, ist interessant, sprich lebenswert. Wobei man auch beim Lehren lernen kann, ich will Ihnen das gleich erklären.
Einerseits habe ich in meinen bald fünfzig Jahren als Fliegenfischer-Lehrer von meinen Schülern einiges, ja wichtiges gelernt. Allein durch ihre Fragen wird man als Lehrer oft herausgefordert und bei der Suche nach einer richtigen Antwort, fallen ihm neue Lehr-Ansätze ein. Ja müssen ihm einfallen, um dem Schüler mündlich oder praktisch die richtige Antwort zu geben. Auch so bildet sich ein Lehrer weiter und weiter. Wobei ich jetzt nicht monieren will, dass ein alter Lehrer zwangsläufig ein besserer Lehrer ist. Nur dann, wenn er immer offen für Neues war und eben nicht stehen blieb. Denn nach wie vor gilt der wichtige Leitsatz: „Alles in der Welt verändert sich laufend“. Natürlich hat sich das mechanische Grundgesetz eines Fliegenwurfes im Laufe der Zeit nicht verändert, hingegen die Lehrmethoden schon. Und wie. Heute redet man von der Eigendynamik der Fliegenrute, von einer Beschleunigung der Fliegenschnur und vielen anderen Details. Und sei es, wegen der Jahrzehnte langen Arbeit meiner Fliegenfischerschule und der besten Schüler, die daraus hervorgingen und heute in aller Welt auch erfolgreiche Lehrer und Fachautoren sind.
Obwohl ich seit Jahrzehnten zu Hause täglich koche, gerne koche, mit Leidenschaft koche, zwei Kochbücher geschrieben habe, besuche ich heute noch regelmässig moderne Kochkurse, notabene bei jungen bis sehr jungen Lehrern. Und mein Notizblock ist jeweils immer voll von Dingen, die ich nun neu oder besser weiss. Und den Myhrvold, den fünfbändigen mit über zehn Kilo Gewicht und tausenden Seiten über die „Modernist Cuisine“ steht logisch in meiner Bibliothek. Neben den zweihundert anderen Kochbüchern, in welchen halt noch nichts über Sous Vide, die Molekularküche und andere neue Kochmethoden steht. Und immer, wenn es mir gelingt, aus diesen neuen Lehren ein neues Geschmackserlebnis auf unsere Teller zu bringen, freut das eben nicht nur mich, sondern auch die Heidi und gerne auch Freunde mit denen wir gerne unsere Tafel teilen.
Eben kam ich aus dem Yukon zurück. Ich war schon mehr als zehnmal dort und habe somit sicher, neben wurftechnischer Erfahrung was das Fliegenfischen betrifft, auch besseres Wissen, was die Programmgestaltung betrifft. Somit ist eigentlich für diejenigen, die mit mir dahin reisen, Erfolg garantiert. Auch dieses Mal waren wieder, nebst älteren, zwei jüngere Fischer dabei, was mich immer besonders freut. Beide standen zum ersten Mal an einem Lachswasser, beide fingen an den zwei Lachs- Tagen in Alaska jeder ein Dutzend Silberlachse und zwar keine kleinen. Mit Löffel und mit Fliege. Und mit dem Löffel fing jeder von beiden auch noch eine über ein Meter lange Seeforelle. Und mit der Fliege auch jede Menge guter Äschen, ja sogar noch Hechte.
Stellt sich noch die Frage zum Schluss, was denn interessanter ist, zu lehren oder zu lernen. Die Antwort weiss ich (noch) nicht, mal sehen, ob ich das noch heraus finde, schliesslich bin ich ja noch am lernen.
H.R. Hebeisen