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Anwältin der Kleinsten
Aus der PETRI NEWS 203-2016

 H.R. Hebeisen

Anwältin der Kleinsten

«Aus dem Magazin der Zürcher Kantonalbank No. 3/16»

Was eine Eintagsfliege ist, kann sich der Laie noch knapp vorstellen. Von den Stein- und Köcherfliegen haben jedoch die wenigsten schon einmal gehört. Verborgen in der Ufervegetation, an Bächen, Quellen und in Teichen leben sie ein unbeobachtetes Leben - wäre da nicht Verena Lubini, die sie beharrlich immer wieder ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Die Zürcher Biologin begleitet und erforscht die unscheinbaren Wasserinsekten mit viel Engagement und Leidenschaft.

Pionierin in der Ökoberatung
Sommers wie winters steht Lubini mit Fischerstiefeln in Fliessgewässern, um Proben zu nehmen und den Bestand der einzelnen Arten zu dokumentieren. Schon im ersten Semester des Biologiestudiums entdeckte sie ihre Begeisterung für die Wasserfauna. Auf Sardinien erforschte die junge Studentin, die schon als Kind liebend gerne schnorchelte, mit einer Arbeitsgruppe der Universität Zürich das Leben der Seesterne. Nach einem Abstecher als Mittelschullehrerin machte sich Verena Lubini 1987 mit einem eigenen Beratungsbüro als Ökoberaterin selbstständig - und war damit ihrer Zeit weit voraus. "Es gab damals noch so gut wie keine Ökobüros. Ich war eine der wenigen Biologinnen, die Kenntnisse im Wasserbereich hatte.", sagt Lubini. Ihr Fachwissen war höchst willkommen. So begleitete sie in den 1990er-Jahren als Beraterin etliche Stadtbachöffnungen, arbeitete am Naturschutzkonzept des Kantons Zürich mit und ist bis heute in nationalen Expertenteams und an der Fachhochschule Wädenswil tätig.

Konsequent auch im Privaten
Nachhaltigkeit beschäftigt die Biologin auch privat. Ihr Lebensmotto lautet: "Die Natur respektieren." Dazu gehören ein ressourcenschonender Lebensstil mit ausschliesslich biologischen Lebensmitteln, so wenig Flug- und Autoreisen wie möglich, ein geringer Fleischkonsum und ein ökologisch umgebautes Haus. Verena Lubini: "Wenn ich weiss, dass der Planet unter meinem Konsumverhalten leidet, kann ich ein schlechtes Gewissen haben und so weitermachen. Oder ich kann versuchen, meinen Lebensstil zu ändern. Ich trage meine Kleider jahrelang, und mein Handy ist 15 Jahre alt und funktioniert immer noch."
Doch woher kommt diese Hingabe für ihr Fachgebiet? "Die Welt der Wasserinsekten hat mich immer fasziniert. Sobald man etwas näher hinschaut, tut sich eine Welt auf wie im Regenwald, nur etwas kleiner.", so die Biologin. Lubini sagt, sie fühle sich "diesen kleinen Wesen" sehr verbunden. "Sie sind ein Teil der Natur, genau wie ich." Zudem fasziniert es Lubini, welche Strategien die Larven entwickelt haben, um zu überleben: "Damit sie bei Hochwasser im Bachbett nicht vom Geröll zermalmt werden, verstecken sie sich unter Steinen oder halten sich mit kleinen Krallen fest.", erklärt die Biologin.

Einige Arten erholen sich
Dabei sind die Wasserinsekten noch ganz anderen Gefahren ausgesetzt: Mit dem Begradigen von Flüssen und der Trockenlegung von Auen schränkt der Mensch ihren Lebensraum empfindlich ein. Dass bereits die Hälfte der Arten in der Schweiz gefährdet ist, bereitet Lubini Sorgen, denn damit drohe das Ökosystem ins Wanken zu geraten. "Wir wissen noch nicht, was es ökologisch erträgt, wenn wir immer mehr Arten aus dem System nehmen." Aber es gibt auch Erfolgsmeldungen, die Verena Lubini optimistisch stimmen. Dank Revitalisierungen von Bächen gibt es Belege dafür, dass einige Arten der Wasserinsekten in den letzten Jahren ihre Bestände halten oder sogar vergrössern konnten.

H.R. Hebeisen