James Fond 008
Meine Freude am „schön auswärts essen gehen“, hat in den letzten Jahren etwas abgenommen. Einige Male haben Heidi und ich eine Tafel nicht so glücklich verlassen wie es eigentlich sein sollte. Mir scheint, dass vor allem der Drang nach „mehr Punkten“ in die falsche Richtung geht.
Statt besser, oder noch besser kochen, geht es in Richtung Dekoration und Präsentation des Gerichtes auf dem Teller. Da werden teilweise kunstvoll angerichtete Teller serviert, die, auch bei sorgfältigem Umgang, nach einigen Bissen sehr unschön ausschauen. Und zudem, vielleicht den einen oder anderen Mangel an Qualität des Gebotenen, übertünchen.
Siebeck, der leider verstorbene, berühmte Gastrokritiker hat diese Art der Präsentation schon damals sehr präzis beschrieben: „Als wäre ein Huhn mit Dünnschiss über den Teller gelaufen“. Nichts gegen einen guten Aceto Balsamico (Traditionale!) aber alles gegen die Verwendung dessen als Dekoration. Zudem; schauen Sie mal bei den Kochsendungen im TV zu, wie da, zum Teil mehrhändig auf Ihrem Teller rumgefummelt wird, damit visuell wenigstens alles stimmt. Wenn ich mir nur vorstelle, dass da auch nur Einer oder Eine die Hände nicht gewaschen hat . . .
Gemeinheiten auf dem Teller
Von Alexander Kühn
Was ist schlimmer als fantasielos dekoriertes Essen im Restaurant? Fantasievoll dekoriertes Essen! Eine Abrechnung.
Da hilft nur die Rückgabe des Tellers: Mit Balsamicocreme verunzierte Speisen sind eine Plage. (Getty Images)
Die Gastronomie ist eine seltsame Branche. Sie besitzt ihre eigene Sprache («rassige Sauce», «gluschtige Rösti» etc.) und auch ihre eigenen Vorstellungen von Ästhetik. Die Dekoration der Teller ist deshalb nicht selten eine ziemliche Zumutung für das Auge. Etwas vereinfacht lassen sich diese Verstösse gegen den guten Geschmack in drei Hauptkategorien einteilen, von denen die erste – nennen wir sie die fantasielose Kategorie – noch die harmloseste ist. Freveleien wie der Tomatenschnitz mit Peterlizweig kann man mit einer verächtlichen Bewegung der Gabel immerhin ruckzuck vom Teller fegen. Notfalls kann man sie sogar essen und sich sagen, dass die Tomate letztlich nichts anderes ist als Gratiswasser im Restaurant.
Köche, die Tomatenschnitz und Peterlizweig zu profan finden, greifen gern zu Chilischoten (wer soll das scharfe Zeug essen?), Physalis (das ist die blöde Frucht, die von aussen wie ein Lampion aussieht und nach nichts schmeckt) oder Erdbeer- und Orangenscheiben (vorzugsweise zu Gerichten wie Rahmschnitzel serviert). Auch Rosmarinzweige von schauerlicher Rustikalität und Vitalität oder die Karambole, eine sternförmige Südfrucht, die nach noch weniger schmeckt als die Physalis, sind leider ziemlich oft gesehene Dekorationselemente.
Unfug wegpusten
Bei Kategorie Nummer 2 ist die Befreiung des Tellers von der unnötigen Dekoration schon ein ganzes Stück delikater. Hier haben wir es nämlich mit kleinteiligem Unfug zu tun, mit getrockneten Blüten, Sprossen, Paprika- oder Kakaopulver, das auf den Tellerrand gestreut wird. Gegen solches Zeug hilft kräftiges Pusten, allerdings auf Kosten einer ziemlichen Schweinerei. Und auf Kosten der Gerechtigkeit. Das Servierpersonal, das nach einer solchen Aktion die verunzierte weisse Tischdecke austauschen muss, kann ja eigentlich nichts für die Untaten der Küche.
Wenden wir uns nun Kategorie 3, dem Hort der schlimmsten Schrecknisse, zu. Hier scheinen die dekorationswütigen Köche den Begriff «Zeichentherapie» falsch verstanden zu haben. Sie malen mit Balsamicocreme (ohnehin ein widerwärtiges Erzeugnis) scheussliche Verzierungen auf die Teller und bringen teilweise sogar Grussbotschaften à la «Happy Birthday» an. Ebenso beliebt ist es, mit dem Klebezeug – der Wiener Essigbrauer Erwin Gegenbauer nennt aufgezuckerten Balsamico ein Erdölderivat – den Namen des Restaurants oder «En Guete!» zu schreiben. Abhilfe kann in solchen Fällen nur die Rückgabe des Tellers schaffen.
Fruchtcoulis und Sprühsahne – die grössten Gemeinheiten
Was der Balsamico bei Vor- und Hauptspeisen ist, sind Fruchtcoulis und Schoggispritzer bei den Desserts. Die pappsüssen, meist industriell hergestellten Coulis sind vielleicht die grösste Gemeinheit auf dem Gebiet der Dekoration überhaupt. Höchstens noch übertroffen von Zuckerstreuseln in Pastelltönen oder Sprühsahne, jenem mit Stabilisatoren und Süssstoffen gepeinigten entfernten Verwandten des Schlagrahms.
Ein Gericht im Restaurant soll schlicht und übersichtlich aussehen, nicht wie ein auf einen Teller gemaltes Bild von Hans Erni. Gutes Essen braucht keine Dekoration, es definiert sich über den Geschmack und die Optik seiner eigentlichen Bestandteile. Was nützt ein aufwendig hergestelltes Körbchen aus caramelisiertem Zucker, wenn die darin platzierte Vanilleglace ein Industrieprodukt ist? Was nützt eine noch so kunstvoll geschnitzte Zitrone, wenn das Schnitzel, auf das man ihren Saft träufeln will, keine Wellen in der Panade hat?