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Aus der PETRI NEWS 223-2019

 H.R. Hebeisen
 

Catch & Release zum Zweiten

Halten wir als Erstes fest, dass man unter dem Begriff Catch&Release, kurz C&R versteht, dass sämtliche gehakten Fische wieder zurückgesetzt werden müssen. Ich habe mich zum Thema schon in der PETRI NEWS Ausgabe Nr. 185 im Jahre 2014 deutlich geäussert. SIch habe nicht im Sinn, mich zu wiederholen, dafür ist nicht nur meine, sondern vor allem ihre Zeit als Leser zu schade. Allein zwei Dinge möchte ich, als bekennender Gegner von C&R, nochmals deutlich als Quintessenz erwähnen.

Aus Sicht der Hege ist C&R darum negativ, weil es mich zwingt, dass ich z.B. in einem Bach oder Voralpenflüsslein eine gehakte, 60 cm lange Forelle, wieder zurücksetzen muss. Das ist das Gegenteil von guter Hege und dient sicher nicht der Qualität und vor allem letztendlich auch nicht der Quantität des Fischbestandes.

Aus Sicht der Verantwortung gegenüber den Nichtfischern ist C&R noch negativer. So gibt der Fischer zu, dass es ihm weder um die Hege und schon gar nicht um die Nahrung geht, sondern allein um sein persönliches Plaisir. Wir Fischer geben mit C&R unser einziges gutes Argument unserer Passion zu frönen, nämlich dem Hegefischen, aus den Händen. Vergessen wie nicht; noch nie wurde die so genannte Political Correctness grösser geschrieben als heute. Auch wir Fischer stehen in der Verantwortung!

Ich habe eine vielseitige, amerikanische Studie gelesen, bevor ich nun in die Tasten haue und will Ihnen vor allem Tipps geben, welche Sie als Quintessenz des Artikels von „Flyfishing & Tying Journal“ Summer 2019 betrachten können. Ich zitiere und ergänze daraus.

Catch&Release Praktiken werfen verschiedene Fragen auf. Wie können wir wissen, ob ein Fisch korrekt behandelt wurde? Wie belastbar sind Fische, die zurückgesetzt wurden, speziell in stark befischten Gewässern? Hier füge ich an, dass bei „uns“ ja eben gerade in stark befischten Gewässern C&R oft üblich ist. Nichts gegen Krustenbraten, Speckknödel und Kraut, aber wenn ich in einem Hotel-Gewässer fische, und erst noch gutes Geld für die Lizenz bezahle, möchte ich gerne ab und zu einen feinen, frischen Fisch essen.

Über 300 Studien zum Thema, übrigens schon seit 1932, wurden in Amerika bisher veröffentlicht und sie zeigen klar auf, dass C&R auch nur teilweise wirkungsvoll ist. Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigt auf, dass die Überlebensrate der Fische bei Verwendung von Kunstködern bei nur 55% lag. Immerhin dafür 98% wenn eine Kunstfliege verwendet wurde! Nun wird es aber höchste Zeit, dass ich zum Nutzen der Studie und vor allem zum Vorteil der Fische die erfahrene Belehrung weiter leite.

„Behandeln sie die Fische so schnell und effizient wie möglich. Verwenden sie Ruten und Rollen, welche den Ansprüchen gewachsen sind. Eine lange Drillphase ist einer der extremsten Stressfaktoren. Verwenden sie immer ein möglichst starkes Vorfach um den Drill so kurz wie möglich zu halten. Wenn ein grosser Kescher bereit ist, können sie den Fisch darin im Wasser lassen zum Lösen des Hakens. Kescher mit gummierten, knotenlosen Netzen sollten Standard sein; sie minimieren Schädigungen der Schleimhaut. Selbst spezielle C&R-Handschuhe gibt es übrigens im Handel. Einen Fisch aus dem Wasser zu heben ist immer schädlich, und je länger der Fisch sich ausserhalb des Wassers befindet, desto länger dauert die Erholung des Kreislaufes. Lassen sie also den Fisch möglichst im Wasser zum entfernen des Hakens."

Dass das Lösen ohne Widerhaken einfacher ist, brauche ich wohl nicht anzufügen, tue es aber trotzdem und vermerke auch, dass man diese auch dann entfernen kann, wenn es das Gesetz oder die Verordnung nicht vorschreibt!

Wenn ein Foto gemacht werden soll, heben Sie den Fisch für maximal 5 Sekunden aus dem Wasser; ein noch schöneres Foto ersetzt den toten Fisch nicht. Berühren sie auch jeden Fisch nur mit nassen Händen, die möglichst noch vorher im Wasser abgekühlt werden sollten. Sie wissen doch, dass unsere Körpertemperatur um die 37 °C misst, vergleichen sie diesen Wert mit der Wasser- also der Fischtemperatur.

Und, wenn wir schon bei den Temperaturen sind; das Mitführen eines Thermometers ist für einen Fischer kein Luxus. Einerseits kann man aus der Wassertemperatur auch die „Beisslaune“ ablesen, andererseits dient sie auch dazu, um zu signalisieren, dass es höchste Zeit ist, in der Wirtschaft ein kühles Bier zu geniessen, dann nämlich, wenn sie um oder gar über 19 °C misst. Sonst kann es sein, dass der Fisch schon beim Drill sein Leben lässt und tote Fische ins Wasser setzen macht ja wenig Sinn, oder?

Zum Schluss noch etwas, was ich bisher auch nicht wusste:
Den Fisch im Wasser hin und her zu bewegen in der Absicht, Wasser durch die Kiemen strömen zu lassen, wurde durch Untersuchungen als nicht hilfreich befunden; halten Sie den Fisch ruhig. Starke, wiederholte Kiemen-Bewegungen bedeuten, dass sich der Fisch erholt.

Lösen Sie zum Schluss noch den Schwanzwurzelgriff und lassen Sie den Fisch schwimmen. Wenn sich dann der Fisch in ihrer Nähe weiter erholt, vermeiden sie zusätzliche Störungen.

Und zum Schluss gerne noch meine ganz persönliche Meinung zum Thema: Nicht Catch&Release, aber das Wissen von Fischerinnen und Fischern bezüglich schonendem Umgang und Erholung gefangener und wieder freigelassener Fische ist ein wichtiger Faktor für die fischereiliche Zukunft. So sei es.

H.R. Hebeisen

P.S. Lassen Sie mich doch als Anhang noch die beiden ersten Absätze meines Vorwortes zu meinem Kochbuch „Faszination Tafelfreuden“ Band II zitieren, damit Sie das eben gelesene noch besser verstehen:

„Zuerst ein klares Statement: Der Autor ist bekennender Fleischjäger und Fleischfischer. So habe ich das vor Jahrzehnten von meinem Vater gelernt, und so bin ich auch gut im Leben gefahren. Der geneigte Leser wird es mir nach dem Lesen dieses Buches sicher gerne glauben.
Meine Vorbilder sind also nicht die Amerikaner mit ihrem Credo „Catch&Release“. Aber auch nicht die Schweizer Obrigkeit, die mich per Gesetz verpflichten (will) praktisch jeden gefangenen, massigen Fisch zu töten. Nein, meine Vorbilder sind jene Menschen, die man früher Rothäute und Indianer nannte und heute Natives nennt – was zwar nicht jeder bei uns versteht, was dafür aber politisch korrekt ist. Ihr Leitsatz, der für mich heute noch gilt heisst: das zu schiessen und fangen, was zur Ernährung gut und nötig ist.“